Auch WissenschaftlerInnen müssen lernen, Online-Texte zu schreiben

Wissenschaftler schreiben online.

Es geht um die gekonnte Selbstinszenierung, ums Vermarkten der eigenen Person und der eigenen Arbeit. Es geht um das Verbreiten von Neuigkeiten aus der Welt der Wissenschaft und um die Bildung einer Öffentlichkeit für die sonst so abstrakten wissenschaftlichen Themen. Letztlich geht es um die Teilhabe am öffentlichen Austausch. Und natürlich geht es auch um Unterhaltung.

Die Rede ist von der Nutzung Sozialer Medien im Wissenschaftsbetrieb. Ja, auch im Wissenschaftsbetrieb sind digitale Medien angekommen. Doch so einfach ist die Nutzung von Facebook, Twitter etc. gar nicht. Es ist insbesondere dann nicht einfach, wenn man wie ich selbst eher skeptisch gegenüber Sozialen Medien eingestellt ist und diese nur sporadisch nutzt. Dies durfte ich nun im Rahmen einer 2-tägigen Fortbildung von Martin W. Angler zu „Social Media for Scientists“ lernen.

Hier einige Erkenntnisse, die ich aus der Fortbildung mitgenommen habe:

Wissenschaftskommunikation als soziales Handeln

Nie war der Austausch mit Nicht-WissenschaftlerInnen, die an wissenschaftlichen Themen interessiert sind, für WissenschaftlerInnen so einfach wie heute. In sozialen Netzwerken sollte man nicht nur auf die erfolgreiche Selbstvermarktung innerhalb des Wissenschaftsbetriebs achten (z.B. über Wissenschaftsnetzwerke wie researchgate oder academia). WissenschaftlerInnen sollten auch in einen Dialog mit der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit treten (z.B über Facebook oder Twitter), ihre Ergebnisse auf verständliche Weise einer breiten Masse näherbringen und dadurch sich am Gesellschaftsleben, am demokratischen Wissensaustausch beteiligen. WissenschaftlerInnen gelten nämlich im Allgemeinen als vertrauenswürdig (vgl. State of Science Index Global Report 2018), sie können daher besonders in Zeiten von Fake-News Vertrauen in das Wort und die Medien wiederherstellen Es geht vor allem um die aktive Teilhabe am Meinungsbildungsprozess zu Themen mit gesamtgesellschaftlicher Relevanz durch die Weitergabe verlässlicher Informationen. Da gesellschaftliche Debatten online ebenso stattfinden wie offline, sollten WissenschaftlerInnen auch online in Sozialen Medien und Wissenschaftsblogs präsent sein.

Was spontan und einfach formuliert aussieht, folgt dennoch bestimmten Regeln

Einen guten Social-Media-Text schüttelt man allerdings nicht einfach so aus dem Ärmel, trotz seiner Kürze. Er ist ebenso geplant, durchdacht und strategisch strukturiert, wie viele andere Texte in der Wissenschaft (z.B. Abstracts, Anträge, Artikel). Meist folgt auch er einem bestimmten Aufbau und beinhaltet ganz bestimmte Elemente, die seine Erfolgsaussichten, von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, wesentlich erhöhen (z.B. die Kombination von Text und Bild bzw. Video). Besonders nützlich ist beispielsweise das „ABT-Schema“, das sich zum Erzählen wissenschaftlicher „Kleinstgeschichten“ eignet, wie man im Science Needs Story Blog von Randy Olson nachlesen kann.

ABT

Der Online-Erfolg ist zeitintensiv

Eine erfolgreiche Online-Präsenz in sozialen Netzwerken aufzubauen, ist zeitintensiv. Wer als WissenschaftlerIn das möchte, muss sich intensiv damit beschäftigen und sich ein Stück weit in diese Richtung professionalisieren. Neben dem Herunterbrechen von wissenschaftlichen Ergebnissen auf ein publikumswirksames und zugängliches Niveau, stellt wahrscheinlich die Kontinuität in der Online-Präsenz die größte Herausforderung für die ohnehin nicht unterbeschäftigten WissenschaftlerInnen dar. Das regelmäßige Veröffentlichen von Posts führt anfangs zum Aufbau einer Online-Leserschaft (follower), die in der Folge regelmäßig weitere Posts erwartet.

Eine Prise Humor ist immer gut

Bei allem Anspruch an die Wissenschaft, in sozialen Medien schreiben Menschen für Menschen und daher sollte die menschliche Seite des bzw. der Schreibenden sichtbar sein. Social-Media-Texte sollen eine persönliche Note erhalten, Emotionalität ist gewünscht, Humor auch. Das ist zumindest für einen Wissenschaftler bzw. eine Wissenschaftlerin aus der deutschsprachigen Wissenschaftskultur eine große Herausforderung, sollen doch ernstzunehmende wissenschaftliche Texte genau dies alles nicht beinhalten. Und wird einem nicht in der Ausbildung, sprich während des Studiums, dies alles auch abgewöhnt?

Das Schreiben digitaler Texte muss also gelernt werden, das könnte als allgemeines Fazit der Fortbildung gelten. Und das gilt paradoxerweise insbesondere für eine Gruppe von Vielschreibern, wie den WissenschaftlerInnen, zu deren Berufsbild ja das Verfassen von Texten gehört. Aber das Schreiben in Sozialen Medien unterscheidet sich vom Verfassen eines traditionellen Textes (s. MIT.Blog: Wovon wir ausgehen) – und das müssen auch WissenschaftlerInnen berücksichtigen, wenn sie erfolgreiche Online-Texte produzieren wollen.

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