Ampeln für den Text – Wie das SEO-Tool Yoast Blogger bei der Texterstellung anleitet

Bei der Durchsicht und Analyse der Schreibratgeber für gute Online-Texte sind wir immer wieder auf das Stichwort „SEO“ („search engine optimization“) gestoßen. Dahinter verbirgt sich die Anpassung bzw. „Optimierung“ von Texten, sodass Suchmaschinen wie Google oder Yahoo sie möglichst weit vorne in der Suchliste aufführen. Beschäftigt man sich näher mit SEO, so findet man ziemlich schnell diverse Tools, die den Schreiber von Online-Texten dabei unterstützen sollen. Was also bieten derartige Tools und wie arbeiten sie? Nach welchen Kriterien bewerten sie Online-Texte?

Auch das Content-Management-System WordPress, mit dem wir unseren Blog betreiben, bietet Plug-ins zur SEO an. Es lag auf der Hand, ein solches Tool einmal auszuprobieren und verschiedenartige Texte bewerten zu lassen.

Readability check

Nach der Aufrüstung der Homepage auf die „Business“-Version, kann über WordPress das Plug-in Yoast SEO integriert werden, das mehr Besucher über Google und Bing verspricht und mit „Increase your readers’ engagement“ wirbt. Besonders interessant erschien uns der sogenannte „Readability check“. Hier analysiert Yoast anhand von sieben verschiedenen Kategorien, wie gut lesbar ein Text ist und beurteilt diese mithilfe eines Ampelsystems.

lesbarkeit

Lesbarkeits-Analyse von Yoast

Bei der Auswahl der Texte wollten wir ein möglichst breites Spektrum abdecken. Neben Beiträgen von den Autorinnen und Autoren Elfriede Jelinek, Kathrin Passig, Sascha Lobo, und Benedict Wells, die alle selbst Blogs betreiben bzw. Texte über das Internet zur Verfügung stellen, schauten wir uns auch an, wie Yoast mit Texten wie Kafkas „Auf der Galerie“ umgeht, die weit vor dem digitalen Zeitalter entstanden sind. Als letztes ließen wir Yoast auch einen Beitrag von einer jungen Autorin, die den Mode- und Lifestyle-Blog Confettiblush betreibt, beurteilen.

Texte für Kinder?

Was aber bewertet Yoast beim „Readability check“? Zunächst analysiert das Tool, ob sich Untertitel bzw. Zwischenüberschriften im Text finden lassen. Denn „[h]eadings are signposts that guide readers through an article“. Vor allem bei langen Texten fordert das Tool, diese einzufügen, so etwa bei Elfriede Jelineks Text „oh mein papa“. Dabei bewertet das Tool aber lediglich, ob es diese Zwischenüberschriften im Text gibt, nicht wie aussagekräftig oder originell sie sind. Absätze sollten darüber hinaus nicht mehr als 150 Wörter enthalten, sonst zeigt das Ampelsystem rot oder orange an und fordert, die betreffenden Absätze zu kürzen.

a4c00-unbenannt-1

Korrekturvorschlag von Yoast für Benedict Wells Text „Mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland

Außerdem rät Yoast von zu langen Sätzen ab. Nicht mehr als 20 Wörter lang sollten sie sein, damit sie für den Rezipienten angenehm zu lesen sind. Klar, dass gerade literarische Texte, die auch von langen und komplexen Sätzen leben, hier schlecht abschneiden. Ähnlich verhält es sich mit dem sogenannten „Flesch Reading Ease-Test“, der anhand einer Formel misst, wie schwer lesbar ein Text ist. Für einen Online-Beitrag werde ein Score zwischen 60 und 70 als angemessen erachtet – laut Skala Texte, die für 13-jährige Schüler verständlich sein sollen. Das Tool orientiert sich also an der Lesekompetenz von Jugendlichen. Für einen Wissenschaftsblog kann das kein Maßstab sein. Auch der Hinweis, Übergangswörter zu benutzen wirkt ziemlich banal. Befolgt man den Rat, so kommentiert das Tool in der deutschen Version „66,7% der Sätze enthält ein Übergangswort oder Phrase, das ist großartig“ etwa im Falle von Sascha Lobos Text „Meine Republica-Rede, ein transfeindlicher Begriff und Internet-Hoffnung am Horizont“. Hier wird auch deutlich, dass Yoast den Benutzer bei Laune halten möchte. Dahinter stecken sicherlich auch Kundenbindung und vor allem Marketing-Zwecke. Vielleicht wird der Nutzer sogar zum Premium-Kunden?

Austauschbare Texte

Passt man seine Texte an die von Yoast vorgegebenen Kategorien an, so besteht schnell die Gefahr, dass sie alle strukturell ähnlich aufgebaut sind und somit auch maximal austauschbar werden. Auch eine der Referentinnen, Lia Gänzler, sprach schon bei unserem Expertenworkshop treffend von „Über-uns-Generatoren“ und bezog sich damit auf den ähnlichen Aufbau der Über-uns-Seiten kleinerer deutscher Unternehmen.

Lala-Text

„Lala“-Text

Probehalber habe ich, angelehnt an den Blogbeitrag von Dominik Horn, einen vollkommen sinnfreien, inkohärenten Text erstellt, der lediglich aus „lala“ und einigen „Übergangswörtern“ besteht – er wurde von Yoast mit sieben grünen Ampel und einem lachenden Smiley belohnt. Hier werden hier die Grenzen dieses Tools besonders deutlich.

Ausgesprochen gut (sieben grüne Ampeln!) hat bei unserem Test der Blogbeitrag einer jungen Fashion-Bloggerin abgeschnitten. Hier liegt die Vermutung nah, dass sie selbst ein derartiges Tool für ihre Texte verwendet hat. Damit ist sie sicherlich nicht alleine. Yoast wirbt mit Nutzerzahlen im Millionenbereich.

Kurze Sätze, Text in Häppchen, keine Passivkonstruktionen und ein Ampelsystem auf Kinderniveau. Lässt sich ein solches Tool überhaupt sinnvoll verwenden? Wie sind eure Erfahrungen mit Textanalysetools? Könnt ihr Hilfsmittel empfehlen? Wir freuen uns über eure Anregungen!

Kommentar verfassen