Digitale Bildung in Österreich. Terminologien, Themen, Trainings und Trends

Ein Gastbeitrag von Thomas Strasser, Stefan Schmid und Josef Buchner

1. Medien? Medien!

Ob für die Unterhaltung, zur Kommunikation oder Distribution, analoge und digitale Medien sind essenzieller Bestandteil eines zeitgemäßen, kommunikativen (Fremdsprachen)unterrichts. Medien per se ermöglichen es, Lehr- und Lernprozesse – u.a. auch auf multisensorischer Ebene – zu bereichern. Einerseits findet man viele pädagogisch-normative Aussagen hinsichtlich des Nutzens, der Chancen und Risiken von Medien im Allgemeinen, andererseits gibt es teilweise wenig empirische Forschung, die sich mit Details und Interdependenzen bezüglich des Einsatzes von Medien im Unterricht beschäftigen (vgl. Schmidt & Strasser 2018, S. 211).

Definiert. Und alles neu!?

Medien als solche können grundsätzlich als Träger bezeichnet werden, die Informationen von einem Platz zum anderen übermitteln. „The most obvious characteristic of a medium is its technology: the mechanical and electronic aspect that determine its function and, to some extent, its shape and other physical features. These are the characteristics that are commonly used to classify a medium as a television, a radio, and so on“ (Kozma 1991, S. 180).

In den letzten Jahrhunderten wurden unterschiedliche Arten von Medien für das Lehren und Lernen (Bild, Text, Ton, etc.) verwendet. Speziell im Bereich des Fremdsprachenlernens, haben Medien zur Wissensakquise und zur Aneignung fremdsprachlicher Kompetenzen eine lange Tradition. Aufgrund der technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, entwickelte sich immer mehr der Begriff der digitalen Medien (ausgehend vom Ansatz des Computer-Assisted Language Learning aus den 1990ern), der im Zuge unterschiedlichster bildungsdiskursiver Stränge oftmals fälschlich mit dem Begriff der Medien im Allgemeinen gleichgesetzt wird. Wenn man von Medien spricht, meint man oftmals ausschließlich, aber eben fälschlicherweise, digitale Medien, wobei das Arbeiten mit Medien im (Sprach)lernprozess auch das Rezipieren bzw. Interpretieren, aber auch Kuratieren von analogen Artefakten, wie jene des gedruckten Textes oder Bildes bedeutet.

Sicherlich nicht mehr zielführend und durchaus redundant ist die Begrifflichkeit der oftmals kolportierten „neuen“ Medien, da eine curriculare bzw. performative Transition im technologischen Bereich schon seit mehr als zwanzig Jahren erkennbar ist (50 Jahre Internet, 48 Jahre eMail, 29 Jahre Web). Somit wollen wir hier eine klare Begriffsschärfung vollziehen, indem wir explizit Medienbildung aus einer analogen und digitalen (blended) Perspektive sehen, jedoch im Zuge der immer aktuelleren Diskussion über sogenannte digitale Kompetenzen, den Schwerpunkt auf (digital) literacy legen.

Der Begriff der „Literacies“ oder sinngemäß und vereinfacht formuliert, jener der Kompetenzen, wird unter PädagogInnen sehr intensiv diskutiert und auch die Literatur offeriert eine Vielzahl an unterschiedlichen Konzepten. Dennoch, ein kleinster gemeinsamer definitorischer Nenner kann gefunden werden: Literacy impliziert den Prozess des Lernens in verschiedenen Kontexten. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass vor allem der Bildschirm als dominante Textstruktur im Diskurs der digitalen Kompetenzen fungiert (vgl. Rowsell & Walsh 2011, S. 53). “New“ Literacies sind vielfältig und implizieren unterschiedliche Modi, sogenannte Multiliteracies, die unter anderem auch implizieren, dass der Bildschirm unser Verständnis der Welt lenkt und dass wir unsere Curricula dahingehend adaptieren müssen (ibid, S. 53). Somit wird im Folgenden auf die aktuellsten curricularen Entwicklungen (Primar- und Sekundarbereich) in Österreich vor allem im Kontext der digital literacies eingegangen. 

2. Themen: Digitale Kompetenzen im österreichischen Schulsystem

Digitale Kompetenzen und Grundbildung

Digitale Kompetenzen finden sich in der österreichischen Schullandschaft an unterschiedlichen Stellen als Inhalt festgeschrieben: implizit in manchen Lehrplänen – meist im Zusammenhang bzw. mitgedacht mit dem analog und digital umfassenden Begriff der Medien – oder explizit, wie in der neuen verbindlichen Übung “Digitale Grundbildung” in der Sekundarstufe 1.

So wird bereits im Lehrplan der Volksschule im Erfahrungs- und Lernbereich Technik beispielsweise “… der Umgang mit elektrischem Strom (z.B. Steckdose, elektrische Geräte, Spielsachen, PC, …)” oder etwa das “Anbahnen einer kritischen Haltung zum Gebrauch der Medien” als Lehrstoff angeführt. (BMBWF 2012, S. 43) Im Erfahrungs- und Lernbereich Gemeinschaft hingegen werden “Medien als Informationsquelle nutzen” und die “Gestaltung und Wirkung von Informationen vergleichen und bewerten” (BMBWF 2012, S. 93) als Lerninhalte festgeschrieben.

Im 2012 veröffentlichten Grundsatzerlass zum Unterrichtsprinzip Medienerziehung wird konstatiert, dass die Omnipräsenz der Medien dazu führt bzw. führen muss und soll, dass Medienerziehung nicht auf einzelne Fachgegenstände oder Schulstufen reduziert werden kann: “Die Medienerziehung hat grundsätzlich auf allen Schulstufen – der geistigen Entwicklung der Schüler und Schülerinnen entsprechend – zu erfolgen.” (BMBWF 2012b, S. 5)

Umfassend bzw. zusammenfassend inhaltlich festgeschrieben wurden die digitalen Kompetenzen je nach Schulstufen in den Kompetenzrastern digi.komp4, digi.komp8 und digi.komp12. In jedem Modell werden in vier bis acht Bereichen die am Ende der Schulstufe 4, 8 oder 12 zu erreichenden digitalen, informatischen und medienbezogenen Kompetenzen angeführt. (BZK eEducation)

Digitale Grundbildung als Unterrichtsfach

Mit der Einführung der “Digitalen Grundbildung” als verbindliche Übung in der Sekundarstufe I ab dem Schuljahr 2018/19 wird der Aufbau und die Vermittlung digitaler Kompetenzen verbindlicher Bestandteil des Lehrplans.  Schulen können autonom über den Umfang (2 bis 4 Wochenstunden), die Schulstufe/n, in der/denen die Inhalte vermittelt werden und die Form des Unterrichts (als eigenes Fach, integrativ ode in einer Mischform) entscheiden. (vgl. BMBWF)

Um unsere Schülerinnen und Schüler auf die digital vernetzte Welt vorzubereiten (Gesellschaft für Informatik, 2016), wurde für das neue Fach “Digitale Grundbildung” ein eigener Lehrplan entwickelt (siehe dazu auch https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/schule40/dgb/index.html). Die Kernbereiche dieses Lehrplanes lauten wie folgt:

  • Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung
  • Informations-, Daten- und Medienkompetenz
  • Betriebssysteme und Standard-Anwendungen
  • Mediengestaltung
  • Digitale Kommunikation und Social Media
  • Sicherheit
  • Technische Problemlösung
  • Computational Thinking

Auf den ersten Blick mögen diese Bereiche etwas techniklastig wirken und scheinen nur für ein eigenes Fach geeignet. Mit ein wenig Kreativität können die meisten der geforderten Kompetenzen aber auch in allen Fächern integrativ gefördert werden. Nehmen wir z.B. den Kernbereich “Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung”. Hier sollen die Kinder und Jugendlichen sich mit den Chancen und Risiken digitaler Technologien auseinandersetzen. Eine große Chance in diesem Bereich ist etwa die Verfügbarkeit von Wissen, das orts- und zeitunabhängig abgerufen werden kann. Zumeist setzen diese eher informellen Lehr- und Lernmaterialien außerdem auf multimediale Darstellungen und Interaktionen, was sie stark von traditionellen Lernmedien, etwa einem Schulbuch, unterscheiden. Das Konzept des Flipped Classroom nutzt z.B. interaktive Videos, um die Lernenden auf den Unterricht vorzubereiten. Die Schülerinnen und Schüler können die Videos pausieren, vor- und zurückspulen und sich so selbstgesteuert mit den Inhalten vertraut machen. Aufgaben sorgen dafür, dass das Lernen aktiv während des Ansehens stattfindet (Buchner & Schmid, 2019). Auch die Grenzen der Digitalisierung können anhand des umgedrehten Unterrichts mit den Lernenden thematisiert werden, etwa wenn es um die Frage nach der Zukunft der Schule geht. Brauchen wir in einer durch und durch digitalisierten Welt überhaupt noch Lehrkräfte? Oder reichen professionell produzierte YouTube-Videos aus? Solche und ähnliche Fragen lassen sich für jedes Unterrichtsfach stellen und können mit der Klasse diskutiert werden. Daran anschließend können die Lernenden passend zum Kernbereich “Informations-, Daten- und Medienkompetenz” auf die selbstständige Suche nach geeigneten Lernmaterialien geschickt werden. Doch welcher Quelle kann man trauen, welcher nicht? Auch dies gilt es zu berücksichtigen, wenn der Arbeitsauftrag “Recherche” erteilt wird. Grundsätzlich gilt die Empfehlung: Lehrkräfte sollten für die eigenständige Recherche nach Informationen 3-5 Links zur Verfügung stellen, da sonst die Gefahr des “lost in hyperspace” (vgl. Blömeke, 2003) groß ist. Wikipedia ist ein gutes Beispiel. Die Online-Enzyklopädie war sicherlich schon in fast jedem Unterricht einmal Thema. Viele Lehrkräfte und Hochschullehrende stehen Wikipedia-Beiträgen äußerst kritisch gegenüber und lassen das Zitieren dieser oftmals gar nicht zu. Andere wiederum schwören auf die Möglichkeit, sich zu einem bestimmten Thema schnell und unkompliziert zu informieren. Schülerinnen und Schüler können Strategien erlernen, wie Wikipedia als Quelle hilfreich sein kann. Wenn nicht als Primär-, dann auf alle Fälle als sekundäre Quelle, die Verweise auf Bücher, Zeitschriftenartikel und andere Webseiten anbietet. Ebenso verhält es sich mit dem Bereich “Digitale Kommunikation und Social Media”. Welche Beiträge können wie auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden? Wo informiere ich mich, um sichergehen zu können? Wie schreibe ich den Autor oder die Autorin an? Um an der digitalen Gesellschaft teilhaben zu können, ist es wichtig grundlegende Kommunikationsregeln zu beachten. Dazu gehören jene, die für den öffentlichen Raum gelten, denn nichts anderes sind Social Media Kanäle. Hasspostings, Verleumdung, Beschimpfungen oder die Leugnung der abscheulichen Verbrechen des Nationalsozialismus sind keine “virtuellen” Vergehen, sondern reale, die auch die entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. 

Solche Strafen kann auch das Teilen von urheberrechtlich geschützten Bildern oder Fotografien mit sich bringen. Schülerinnen und Schüler müssen Strategien erlernen, damit sie im Internet Creative Commons und/oder Public Domain (=gemeinfreie) Materialien finden können, die sie dann wiederum für eigene (Medien-)Produktionen verwenden dürfen. Das Smartphone reicht hierfür als Produktionsmedium völlig aus. Videos, Podcasts und interaktive Präsentationen lassen sich mit den Weltaneignungassistenten (Blume, 2018) und Kulturzugangsgeräten (Rosa, 2014) schnell und einfach gestalten. Den Lernenden wird dabei nicht nur ein Einblick in die Mechanismen dieser Medientypen gewährt, sondern sie können auch ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Zusätzlich werden viele überfachliche Kompetenzen, wie Teamfähigkeit, Planungs- und Zeitmanagement, trainiert. Besonders für den Sprachunterricht bieten sich solche kreativen Medienproduktionen an, da auch Überlegungen zu “Wie drücke ich das aus?”, freies Sprechen und der Einsatz von Stilmitteln (z.B. Storytelling) Teile des Lernprozesses sind (Kolodner et al., 2003). Selbiges gilt auch für den Bereich “Computational Thinking”. Was viele mit einem einsamen Stubenhocker, undurchschaubaren Zahlenkombinationen auf dem PC-Display und vielen Litern Kaffee assoziieren, ist in Wirklichkeit kreative Entfaltung auf höchstem Niveau. Programmiersprachen können mittlerweile durch vielfältige Angebote altersgerecht vermittelt und kombiniert mit überfachlichen Kompetenzen, z.B. dem Problemlösen, angeeignet werden (Brandhofer, 2017a). In den Fächern Mathematik, Deutsch, Sachunterricht und sogar Musik können bereits die Jüngsten in der Volksschule mithilfe der “Beebots” an einfache Programmierkenntnisse herangeführt werden (Fikisz & Buchner, 2017). Für die Älteren warten dann Anwendungen wie Scratch, verschiedenste Varianten von Lego Education, Raspberry Pi und micro:bit (für einen Überblick siehe Schule Aktiv, 2017). 

Bei Computational Thinking geht es nicht nur um Programmieren, sondern auch um das Verstehen der Wirkmechanismen von z.B. Suchmaschinen. Warum zeigt mir mein Algorithmus dieses Ergebnis an erster Stelle? Warum ist dieses Ergebnis bei dir gar nicht sichtbar? Antworten auf solche Fragen können nur dann beantwortet werden, wenn alle Fächer gemeinsam an der Ausbildung der Kernbereiche zur “Digitalen Grundbildung” mitwirken. Entscheidend ist auch, dass alle Bereiche, also das “Wie funktioniert das”, “Wie wirkt das” und “Wie verwende ich das”, berücksichtigt werden. Zusammengefasst bietet dieser multiperspektivische Blick auf die digital vernetzte Welt unter anderem folgende Potentiale (21st Century Skills, http://www.p21.org):

  • Kreativität
  • Kritisches Denken
  • Kommunikation
  • Kollaboration 
  • Informatische und technologische Kompetenzen
  • Medienkompetenz
  • Selbstgesteuertes Lernen
  • Teilhabe am Prozess des lebenslangen Lernens

3. Trainings: Fortbildung für Lehrkräfte

Grundsätzlich bieten die Pädagogischen Hochschulen im Kontext des “Professionalisierungskontinuums digitale Medien” ein vielseitiges Angebotsportfolio im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Neben punktuellen Einzelfortbildungen zu Themen der digitalen Grundbildung ist vor allem das Lehrgangssegment erwähnenswert. 

Digitale Medienbildung in der Primarstufe

Die Pädagogische Hochschule Wien bietet zum Beispiel den Lehrgang “Digitale Medienbildung in der Primarstufe” an. Entlang wissenschaftlich-theoretischer Konzepte führt er in schulische Medienbildung ein, die soziokulturelle Relevanz dessen berücksichtigt und zur Implementierung (digitaler) Medien in den Unterricht und zur eigenständigen Medienproduktion im und für den Unterricht anregt. Weiter heißt es auf der Homepage: “Der Lehrgang bietet Lehrpersonen der Primarstufe die Möglichkeit der Weiter-/Entwicklung eigener Medienkompetenzen für den Einsatz digitaler Medien im und für den Unterricht. Ein umfassendes Verständnis von Medienbildung wird vermittelt und eine kritisch-kreative Mediennutzung in Schule und darüber hinaus angeregt.” (PH Wien 2018, https://www.phwien.ac.at/hochschullehrgaenge-fortbildungsangebot/hochschullehrgaenge#article-id-2562)

digi.kompP

Basierend auf internationalen Modellen, z.B. TPACK (Mishra & Köhler, 2006) und DigCompEdu (EU Science Hub, 2018), wurde 2016 – auch mit dem Anspruch der oben beschriebenen digi.komp-Logik treu zu bleiben – ein Kompetenzmodell für digital kompetente Lehrpersonen entwickelt, das von von der Virtuellen Pädagogischen Hochschule im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung koordiniert wurde. 

In diesem dreistufigen Kompetenzraster namens digi.kompP werden jene digitalen Kompetenzen in acht Bereichen aufgezeigt, über die Studierende zu Beginn und zu Ende des Lehramtsstudiums und Lehrende nach fünf Jahren Berufstätigkeit verfügen sollten. (vgl. Brandhofer, Kohl, Miglbauer, Narosy 2016)

digi.folio – maßgeschneidert fortbilden

Mit der darauf aufsetzenden Maßnahme digi.folio wurde nun für Lehrkräfte eine Möglichkeit geschaffen, diese digitalen Kompetenzen maßgeschneidertauf- und auszubauen. digi.folio steht prinzipiell allen Pädagogen und Pädagoginnen offen, richtet sich aber insbesondere an neu in den Dienst eintretende Lehrkräfte.

Die Maßnahme digi.folio umfasst:

  1. Einen digitalen Kompetenzcheck zu Beginn, dem digi.checkP
  2. Auf Basis der Ergebnisse dieses Checks die Auswahl und Absolvierung passgenauer Fortbildungen aller relevanten Veranstaltungen der Pädagogischen Hochschulen im Rahmen von 6 EC
  3. Die Reflexion der eigenen Lehrtätigkeit in einem digitalen Praxisportfolio
  4. Den Nachweis der erworbenen Kompetenzen.

Sie bietet einen Überblick über alle einschlägigen Lehrveranstaltungen österreichweit und ermöglicht es den Kompetenznachweis digital zu erstellen. (vgl. BMBWF: digi.folio)

4. Trends/Ausblick auf digital literacy/digitales Lernen

Wie real Bildung in der digital vernetzten Welt bereits ist, zeigen einige Trends aus dem Bereich “Educational Technology”. Aktuell werden vor allem die Potentiale von Augmented und Virtual Reality diskutiert und ausgelotet (Freeman et al., 2017). Unter Augmented Reality (AR) versteht man die computergestützte Erweiterung der Realität, d.h. digitale Repräsentationen überlagern reale Objekte oder Bilder (Klopfer & Sheldon, 2010). Dargestellt werden solche multimedialen Artefakte mittlerweile auf jedem Smartphone oder Tablet mit Kamerafunktion, einer entsprechenden AR-App und bei bestehender Internetverbindung. Letzteres wird sich in der nächsten Zeit jedoch als optional herausstellen, da verschiedene Anbieter bereits an Offline-Varianten von AR arbeiten. Das Wiener Unternehmen Areeka (https://www.areeka.net) erweitert analoge Bücher mithilfe von 3D-Modellen. Sind diese Modelle auf dem Smartphone geladen, funktioniert der AR-Effekt auch ohne Internetverbindung. Für das Lernen ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten: Der Lernraum Klassenzimmer kann durch analoge Poster digital erweitert werden, die virtuelle Reise zum Machu Picchu wird so zum interaktiven Erlebnis. Die Schülerinnen und Schüler können die Blickrichtung selbst steuern und über Zoom-Funktionen noch stärker in die augmentierte Welt eintauchen. Die Teilnahme an einer Diskussion im EU-Parlament wird zum authentischen Erlebnis, ebenso das Gespräch mit einem beliebten Musiker oder einer Schauspielerin. Stellen Sie sich vor, ein Poster von Justin Bieber hängt in der Klasse. Zwei Schülerinnen gehen mit ihrem Smartphone auf dieses zu und fokussieren die Kamera auf die Abbildung. Plötzlich erwacht das statische Justin-Bieber-Bild zum Leben und die beiden Fans führen eine Konversation mit ihrem Idol (Buchner & Höfler, 2018). 

Noch authentischer können solche Lernerfahrungen werden, wenn die Schülerinnen und Schüler über Virtual-Reality-Brillen gänzlich in eine computergenerierte Welt eintauchen und sogar mit dieser interagieren können (Slater et al., 2006). Damit ist gemeint, dass Objekte mit den Händen berührt und verändert werden können, 3D-Zeichnungen lassen sich anfertigen und Situationen werden tatsächlich er- bzw. gefühlt. Für den Geschichtsunterricht berichten Jugendliche, dass sie historische Ereignisse mittels VR besser verstehen und motivierter sind, sich mit den entsprechenden Inhalten auch auseinanderzusetzen (BBC News, 2017). Im Bereich der Migrationspädagogik können Lernende mittels VR in die Situation von Flüchtlingen hineinversetzt werden (Rittmann, 2015). Shin (2018) konnte zeigen, dass sich mit solchen Umsetzungen Empathie fördern lässt. 

Im Klassenzimmer kann VR über kostengünstige Brillen aus Karton realisiert werden. Vorlagen dazu findet man z.B. bei Google Cardboard (https://vr.google.com/cardboard/). Für die Praxis empfiehlt sich, diese Karton-Brillen im fächerübergreifenden Unterricht von den Schülerinnen und Schülern selber bauen zu lassen. Mithilfe vieler kostenloser Apps können diese dann in den unterschiedlichen Unterrichtsfächern genutzt und für virtuelle Ausflüge herangezogen werden. Lernende können dann gänzlich neue Welten, etwa die Oberfläche des Planeten Mars, erkunden oder vergangene Ereignisse virtuell zum Leben erwecken (Wössner, o. J.). Auch forschendes und entdeckendes Lernen kann mit VR realisiert und realitätsnah umgesetzt werden, z.B. an Bord des deutschen Tiefseeforschungsschiffes SONNE (Zeit online, o. J.).

In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft werden die virtuellen Welten wohl noch mehr unsere Sinne ansprechen können. Wir sind gespannt, wie sich diese (Weiter-)Entwicklungen auf die Bildungslandschaft auswirken werden. 

Damit die skizzierten Möglichkeiten überhaupt unsere Schülerinnen und Schüler erreichen, braucht es entsprechend ausgebildete Lehrpersonen. Das digi.kompP-Modell (Brandhofer et al., 2016) setzt exakt hier an. In der Lehrer/innenbildung und auch der Fort- und Weiterbildung reicht es nicht, technologisches Wissen oder technische Fertigkeiten zu vermitteln. Oftmals sind diese bereits bei Lehrkräften vorhanden, wie etwa Brandhofer (2017b) nachweisen konnte. Vielmehr geht es um die Förderung didaktischer und pädagogischer Fähigkeiten, die technologieunterstütztes Lernen ermöglichen und dann zu anderen Lehr- und Lernszenarien führen können. Dann werden unsere Kinder und Jugendlichen nicht nur auf die digital vernetzte Welt vorbereitet, sondern auch zu aktiven (Mit-)Gestaltern dieser. 

Literatur:

BBC News. (2017). Virtual reality history lessons. Abrufbar unter https://www.bbc.com/news/av/education-39388424/virtual-reality-history-lessons

BMBWF: Digitale Grundbildung. Abrufbar unter https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/schule40/dgb/index.html

BMBWF: digifolio. Abrufbar unter https://www.digifolio.at/

BMBWF (2012): Lehrplan der Volkschule. Abrufbar unter https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_vs_gesamt_14055.pdf?4dzgm2

BMBWF (2012b): Unterrichtsprinzip Medienerziehung – Grundsatzerlass. Abrufbar unter https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/uek/medienerziehung_5796.pdf

Brandhofer, G. (2017a). Programmieren in der Schule im Zeitalter der Digitalität. Schule Aktiv, 10/2017, 4–5. Abrufbar unter http://pubshop.bmbf.gv.at/detail.aspx?id=666

Brandhofer, G. (2017b). Lehr-/Lerntheorien und mediendidaktisches Handeln. Eine Studie zu den digitalen Kompetenzen von Lehrenden an Schulen. Marburg: Tectum.

Brandhofer, Kohl, Miglbauer, Narosy (2016): digi.kompP – Digitale Kompetenzen für Lehrende. Das digi.kompP-Modell im internationalen Vergleich und in der Praxis der österreichischen Pädagoginnen- und Pädagogenbildung. In: Open Online Journal for Research and Education der PH NOE, Ausgabe 6, Oktober 2016

Buchner, J., & Schmid, S. (Hrsg.). (2019). Flipped Classroom Austria…und der Unterricht steht Kopf! Ikon. Leseprobe abrufbar unter https://shop.ikon.at/detail/index/sArticle/1018

Buchner, J., & Höfler, E. (2018). Flipped Learning mit Augmented Reality. In J. Buchner, C. Freisleben-Teutscher, J. Haag, & E. Rauscher (Hrsg.), Inverted Classroom: Vielfältiges Lernen(S. 61–66). St. Pölten: ikon.

Bundes- und Koordinationszentrum eEducation: digi.komp. Digitale Kompetenzen und informatische Bildung. Abrufbar unter https://eeducation.at/index.php?id=530

Blume, B. (2018). DIGITAL: Weltaneignungsassistent, kleine Abhandlung. Abrufbar unter https://bobblume.de/2018/01/28/digital-weltaneignunsassistent-kleine-abhandlung/

Blömeke, S. (2003). Lehren und Lernen mit neuen Medien – Forschungsstand und Forschungsperspektiven. Unterrichtswissenschaft31(1), 57–82.

EU Science Hub. (2018). Digital Competence Framework for Educators

(DigCompEdu). Abrufbar unter https://ec.europa.eu/jrc/en/digcompedu

Fikisz, W., & Buchner, J. (2017). Beebots als niederschwelliger Zugang zu Coding und Robotik. Schule Aktiv!, Coding als Baustein der digitalen Grundbildung, 22–25. Abrufbar unter https://www.phdl.at/fileadmin/user_upload/5_Ueber_uns/2_Institute/Medienbildung/Publikationen/coding_2017.pdf#page=22

Freeman, A., Adams Becker, S., Cummins, M., Davis, A., & Hall Giesinger, C. (2017). NMC/CoSN Horizon Report: 2017 K–12 Edition. Austin, Texas: The New Media Consortium.

Gesellschaft für Informatik. (2016). Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt. Abrufbar unter https://www.gi.de/aktuelles/meldungen/detailansicht/article/dagstuhl-erklaerung-bildung-in-der-digitalen-vernetzten-welt.html

Klopfer, E., & Sheldon, J. (2010). Augmenting your own reality: student authoring of science-based augmented reality games. New Directions for Youth Development128, 85–94.

Rittmann, T. (2015). Games und Flüchtlinge: VR macht passive Zuschauer zu Augenzeugen. Abrufbar unter https://www.zeit.de/digital/games/2015-10/cloud-chasers-fluechtlinge-games-virtual-reality

Rosa, L. (2014). Kulturzugangsgerät, kleine Abhandlung. Abrufbar unter https://shiftingschool.wordpress.com/2014/10/21/kulturzugangsgerat-kleine-abhandlung/

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Schmidt, T., & Strasser, T. (2018). Media-Assisted Foreign Language Learning— Concepts and Functions. In Teaching English as a Foreign Language. Stuttgart: Metzler.

Slater, M., Antley, A., Davison, A., Swapp, D., Guger, C., Barker, C., … Sanchez-Vives, M. V. (2006). A Virtual Reprise of the Stanley Milgram Obedience Experiments. PLoS ONE1(1), 1-10. Abrufbar unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0000039

Rowsell, J. & Walsh, M. (2011). Rethinking Literacy Education in New Times: Multimodality, Multiliteracies, & New Literacies. In: Brock Education. Volume 21. No. 1. Fall 2011, pp. 53-62.

Kozma, R.B. (1991). Learning with media.“Review of Educational Research, 61(2), pp. 179-212.

Wössner, St. (o. J.). Virtual Reality: Apps und Dienste. Abrufbar unter https://www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/medienwissen/virtual-und-augmented-reality/virtual-reality-apps-und-dienste/

Zeit online (o. J.). Virtual Reality für den Unterricht: Exkursionen 2.0. Abrufbar unter https://service.zeit.de/schule/digitalisierung/virtual-reality-fuer-den-unterricht/

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